Haben Sie sich jemals gefragt, wer Sie wirklich sind, jenseits all dessen, was Sie tagtäglich denken, fühlen oder tun? Wer sind Sie – ohne Ihre Geschichte, ohne Ihre Verpflichtungen, ohne Ihre Rollen?

Wir alle definieren uns über das, was wir erleben: Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Träume, Ängste. Und wir bewegen uns durch das Leben in verschiedensten Rollen – als Eltern, Partner, Berufstätige, Freunde, Suchende. Diese Erfahrungen und Identitäten scheinen unser Selbstbild zu formen. Doch was, wenn wir all das einmal für einen Moment loslassen könnten?

Was bleibt übrig – wenn alles, womit Sie sich sonst identifizieren, still wird?

 

Der Lärm des Geistes – und die stille Präsenz dahinter

In unserem Geist ist oft Bewegung: Gedanken über die Vergangenheit, Sorgen um die Zukunft, Selbstgespräche, Bewertungen. Gefühle tauchen auf, verändern sich, verschwinden. All das verleiht uns ein Gefühl von „Ich bin“. Doch dieses „Ich bin“ scheint oft unruhig, gefangen im ständigen Wechselspiel innerer Zustände.

Und doch gibt es einen Teil in Ihnen, der all das beobachtet. Ein Teil, der nicht denkt, sondern wahrnimmt. Nicht bewertet, sondern einfach da ist. Vielleicht haben Sie diesen Raum schon einmal gespürt – in einem stillen Moment, beim Betrachten eines Sonnenuntergangs, beim Innehalten nach einer intensiven Erfahrung.

 

Das Beobachter-Selbst – ein Ort der Klarheit

In der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) wird dieses Erleben als das „Beobachter-Selbst“ bezeichnet, in der buddhistischen Psychologie nennt man es „reines Gewahrsein”. Es ist das Bewusstsein in Ihnen, das alles sieht, ohne selbst beeinflusst zu werden. Gedanken kommen und gehen. Gefühle steigen auf und ebben ab. Rollen ändern sich mit der Zeit. Doch Sie als Beobachter bleiben – ruhig, präsent, wach.

Wenn Sie für einen Moment aufhören, sich mit Ihren Gedanken oder Gefühlen zu identifizieren, können Sie diesen stillen Kern in sich spüren. Es ist ein Ort von Klarheit, Gelassenheit und unerschütterlichem Sein.

 

Was bleibt übrig?

Wenn Sie alles weglassen:

  •  alle Gedanken über „Ich bin gut genug“ oder „Ich bin nicht genug“
  • alle Rollen, die Sie erfüllen
  • alle Emotionen, die Sie gerade fühlen

dann bleibt Bewusstsein. Ein einfaches, klares Dasein. Ohne Urteil. Ohne Druck. Ohne Maske.

Und dieses Sein genügt. Es ist der Ursprung von Selbstbewusstsein – nicht als Leistung, sondern als inneres Wissen:

Ich bin. Und das ist genug.

Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht möchten Sie sich selbst die Frage stellen: „Wer bin ich, wenn ich alles loslasse?“ Setzen Sie sich einen Moment in die Stille, atmen Sie ruhig und lauschen Sie in sich hinein. Was spüren Sie? Wer beobachtet diese Stille?

Wenn Sie mögen, begleite ich Sie gern mit einer passenden Achtsamkeitsübung oder einer Reflexion, die Ihnen hilft, diesen Raum in sich zu entdecken.

Denn manchmal beginnt Selbstbewusstsein nicht mit dem, was wir tun – sondern mit dem, was wir sind.

Rainer Schwenkkraus

Berater und Autor