Der Begriff „Teflon und Klettprinzip“ wird in der Hirnforschung häufig verwendet, um die unterschiedliche Verarbeitung von positiven und negativen Erfahrungen im Gehirn zu beschreiben. Dieses Konzept illustriert, wie unser Gehirn auf verschiedene Arten von Erlebnissen reagiert und wie diese Reaktionen unsere Wahrnehmung und unser Verhalten beeinflussen.

Das Klettprinzip

Negative Erfahrungen, Kritik oder schmerzhafte Erlebnisse haften regelrecht an uns, ähnlich wie Klettverschlüsse, die sich in Stoffen verfangen. Evolutionär betrachtet ist diese Eigenschaft sinnvoll: Bedrohungen und Gefahren mussten früher schnell erkannt und langfristig gespeichert werden, um das Überleben zu sichern. Diese „Negativitätsverzerrung“ sorgt dafür, dass wir uns oft länger und intensiver mit negativen Ereignissen beschäftigen, als es rational notwendig wäre. Im Alltag führt das dazu, dass eine einzige kritische Bemerkung uns stärker beschäftigt als zehn positive Rückmeldungen.

Das Teflonprinzip 

Im Gegensatz dazu gleiten positive Erfahrungen wie Lob oder Freude oft an uns ab – wie Wasser an einer mit Teflon beschichteten Oberfläche. Das liegt daran, dass unser Gehirn positive Erlebnisse nicht so intensiv und langanhaltend speichert. Sie werden zwar wahrgenommen, hinterlassen aber nicht denselben tiefen Eindruck wie negative Erlebnisse. Evolutionär gesehen waren angenehme Ereignisse weniger überlebenswichtig und mussten daher nicht so tief verankert werden.

 

Neurobiologische Grundlagen

Diese Unterschiede in der Gedächtnisbildung lassen sich auch im Gehirn verorten. Das limbische System, insbesondere die Amygdala, spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen. Negative Reize aktivieren die Amygdala stärker, was zu einer intensiveren und schnelleren Gedächtnisbildung führt. Positive Erlebnisse hingegen aktivieren das Belohnungssystem, doch die Verbindungen zur Langzeitspeicherung sind weniger stark ausgeprägt.

 

Auswirkungen auf den Alltag

Diese unterschiedlichen Mechanismen der Gedächtnisbildung beeinflussen unser tägliches Leben maßgeblich. Menschen neigen dazu, sich mehr auf das Negative zu konzentrieren und es stärker zu gewichten. In Beziehungen kann dies zu Missverständnissen und Konflikten führen, wenn negative Erlebnisse überproportional viel Raum einnehmen. Im beruflichen Umfeld kann es das Selbstbewusstsein beeinträchtigen, wenn man sich auf wenige negative Rückmeldungen fokussiert und viele positive Erlebnisse ignoriert.

 

Strategien zur Veränderung

Um diesen natürlichen Mechanismen entgegenzuwirken, können bewusstes Training und Achtsamkeit helfen. Eine Methode ist die „3 zu 1-Regel“, bei der man versucht, jeder negativen Erfahrung bewusst drei positive gegenüberzustellen. Eine andere Technik ist das „Savouring“, bei dem man positive Erlebnisse bewusst länger im Gedächtnis hält und ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt. Diese Methoden können dabei helfen, das Gehirn neu zu konditionieren und die Negativitätsverzerrung abzumildern.

Liebe Leserinnen und Leser,

das „Teflon- und Klettprinzip“ ist ein anschauliches Modell, um zu verstehen, warum negative Erfahrungen so stark haften bleiben und positive oft leicht an uns abgleiten. Mit gezieltem Training und Bewusstheit kann jedoch eine Balance geschaffen werden, die zu mehr Zufriedenheit und einem positiveren Lebensgefühl führt.

Rainer Schwenkkraus

Psychologischer Berater