Viele Menschen finden sich in einem Strudel von Aufgaben, Verpflichtungen und Erwartungen wieder, die kaum Raum für Erholung lassen. Die Folgen dieses rastlosen Lebensstils sind weitreichend und können in einen Zustand führen, der als Burnout bekannt ist. Doch wie kommt es, dass wir uns immer weiter in Richtung dieses Erschöpfungszustands bewegen, und wie können wir gegensteuern?
Die ständige Erreichbarkeit als neuer Normalzustand
Mit der Digitalisierung hat sich unser Alltag stark verändert. Smartphones, Laptops und Tablets ermöglichen es uns, jederzeit und überall zu arbeiten. Was einst als Fortschritt gefeiert wurde, entpuppt sich zunehmend als Fluch. Die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmt, und es wird erwartet, dass wir rund um die Uhr erreichbar sind. Diese ständige Erreichbarkeit führt zu einem ständigen Gefühl der Verpflichtung und verhindert, dass wir wirklich abschalten können.
Der innere Antreiber: Perfektionismus und die Angst, nicht genug zu sein
Im Kern vieler Burnout-Erfahrungen liegt ein innerer Antreiber, der uns ständig zu Höchstleistungen drängt. Dieser innere Antreiber manifestiert sich oft in Form von Perfektionismus, hohen persönlichen Erwartungen und einer tief sitzenden Angst, den eigenen oder fremden Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Doch was genau steckt hinter diesen Mechanismen, die uns immer wieder an unsere Grenzen treiben? In meiner psychologischen Onlineberatung arbeite ich oft mit meinen Klient*innen daran, diese Antreiber zu identifizieren und zu verstehen, wie sie deren Stresslevel und Lebensqualität beeinflussen.
Perfektionismus: Der Drang nach Kontrolle und Anerkennung
Perfektionismus ist oft der Versuch, Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen und sich vor Fehlern oder Kritik zu schützen. Wer perfektionistisch veranlagt ist, neigt dazu, extrem hohe Standards an sich selbst zu stellen und keine Fehler zuzulassen. Jeder noch so kleine Mangel wird als persönliches Versagen interpretiert. Der Wunsch, in allem perfekt zu sein, führt jedoch oft zu chronischer Überlastung und letztlich zu einer tiefen inneren Erschöpfung. Denn Perfektionismus ist eine unerreichbare Illusion – es wird immer etwas geben, das nicht vollkommen ist.
Dieser ständige Druck, perfekt zu sein, kann sich in allen Lebensbereichen manifestieren: im Beruf, in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Aussehen und selbst in den eigenen Gedanken und Gefühlen. Perfektionisten haben oft Schwierigkeiten, Aufgaben abzugeben, weil sie glauben, dass nur sie selbst in der Lage sind, diese „richtig“ zu erledigen. Sie investieren unzählige Stunden in Details, die für andere oft nicht einmal wahrnehmbar sind. Auf lange Sicht führt dieser übermäßige Einsatz jedoch nicht zu besseren Ergebnissen, sondern zu Erschöpfung und Frustration.
In der Onlineberatung konzentrieren wir uns darauf, die zugrunde liegenden Ursachen des Perfektionismus zu erforschen und herauszufinden, welche Erwartungen und Ängste ihn antreiben. Oft zeigen sich dabei tief verwurzelte Glaubenssätze, die sich durch das gesamte Leben ziehen und das Gefühl verstärken, nie genug zu sein.
Die Angst vor dem Scheitern und die ständige Selbstkritik
Eng verbunden mit dem Perfektionismus ist die Angst vor dem Scheitern. Diese Angst kann so stark sein, dass sie zu einem lähmenden inneren Druck wird, der jede Handlung begleitet. Menschen, die unter dieser Angst leiden, neigen dazu, sich selbst ständig zu kritisieren und zu hinterfragen. Sie glauben, dass jeder Fehler, den sie machen, sie als Person entwertet und dass ihre Leistung direkt mit ihrem Selbstwert verbunden ist.
Diese Denkweise führt zu einem Teufelskreis: Aus Angst, nicht gut genug zu sein, strengen sich Betroffene noch mehr an, was zu noch mehr Stress und schließlich zu noch größerer Erschöpfung führt. Anstatt sich über Erfolge zu freuen, wird der Fokus auf das gelegt, was noch besser hätte sein können. Dieser ständige Kreislauf aus Selbstkritik und Unzufriedenheit zermürbt auf Dauer und führt zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
In meiner Praxis helfe ich dabei, diese Ängste zu erkennen und zu hinterfragen. Wir arbeiten daran, gesunde Selbstkritik zu entwickeln und den eigenen Wert nicht nur über Leistung zu definieren. Durch diese Reflexion lernen Klient*innen, ihre Erfolge anzuerkennen und sich von der ständigen Selbstkritik zu befreien.
Die Rolle der Gesellschaft: Leistung als Wertmaßstab
Neben den inneren Antreibern spielen auch gesellschaftliche Erwartungen eine zentrale Rolle. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft wird Erfolg oft an messbaren Kriterien wie Gehalt, Position oder sozialem Status festgemacht. Wer diesen Erwartungen nicht gerecht wird, läuft Gefahr, als „Versager“ abgestempelt zu werden – zumindest in den eigenen Augen.
Von klein auf lernen wir, dass Fleiß und harte Arbeit belohnt werden, während Faulheit und Fehler bestraft werden. Dieser Gedanke prägt uns tief und beeinflusst unser Verhalten im Erwachsenenalter. Das Streben nach Anerkennung und der Wunsch, „etwas aus sich zu machen“, treiben viele Menschen an – oft jedoch auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit.
Privater Stress: Wenn das Zuhause zur Belastung wird
Während beruflicher Stress oft im Fokus steht, wird privater Stress häufig unterschätzt, obwohl er eine ebenso bedeutende Rolle auf dem Weg zum Burnout spielt. Unser Privatleben sollte eigentlich der Raum sein, in dem wir uns entspannen und Kraft tanken können. Doch auch hier lauern zahlreiche Stressfaktoren, die den Weg in die Erschöpfung ebnen können.
Beziehungsprobleme: Spannungen in der Partnerschaft oder Familie können erheblichen emotionalen Stress verursachen. Unausgesprochene Konflikte, Kommunikationsprobleme oder die Unvereinbarkeit von Erwartungen können den Alltag belasten und das Gefühl verstärken, nie zur Ruhe zu kommen. Anstatt als Quelle der Unterstützung und Erholung zu dienen, wird das Zuhause zu einem Ort der Belastung.
Pflege von Angehörigen: Die Verantwortung, sich um kranke oder pflegebedürftige Familienmitglieder zu kümmern, kann ebenfalls zu einer erheblichen emotionalen und körperlichen Belastung führen. Diese Aufgaben werden oft zusätzlich zur beruflichen Arbeit übernommen, was zu einer Überforderung führen kann. Die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Stress verschwimmen, und die Belastung nimmt weiter zu.
Erziehungsdruck: Eltern stehen unter ständigem Druck, ihre Kinder optimal zu fördern und ihnen die besten Chancen zu ermöglichen. Die Anforderungen, die Schule, Freizeitaktivitäten und soziale Erwartungen an Eltern stellen, können zu einem ständigen Gefühl der Überforderung führen. Die Sorge, den eigenen Kindern nicht gerecht zu werden, kann genauso belastend sein wie beruflicher Stress.
Finanzielle Sorgen: Geldprobleme sind eine häufige Ursache für privaten Stress. Unsicherheiten hinsichtlich der finanziellen Zukunft, Schulden oder die Sorge, die Familie nicht ausreichend versorgen zu können, können zu ständigen Ängsten führen. Diese Sorgen lasten schwer auf den Schultern und tragen erheblich zur allgemeinen Erschöpfung bei.
Soziale Verpflichtungen: Der Druck, soziale Verpflichtungen zu erfüllen, kann ebenfalls stressig sein. Ständige Verabredungen, gesellschaftliche Erwartungen und das Bedürfnis, überall präsent zu sein, können zu einem Gefühl der Erschöpfung führen, das zusätzlich zum beruflichen Stress beiträgt.
Die innere Stimme beruhigen: Wege zur Selbstakzeptanz
Um dem Burnout entgegenzuwirken, ist es wichtig, sich der eigenen inneren Antreiber bewusst zu werden und diese zu hinterfragen. Ein erster Schritt ist die Akzeptanz, dass niemand perfekt ist und dass Fehler ein natürlicher Teil des Lebens sind. Die Kunst liegt darin, sich selbst mit all seinen Schwächen anzunehmen und den eigenen Wert nicht ausschließlich über Leistung zu definieren.
Es kann hilfreich sein, sich bewusst Auszeiten zu nehmen und Momente der Reflexion einzubauen, in denen man sich fragt, was einen wirklich antreibt. Oftmals entlarvt man dabei alte Glaubenssätze, die nicht mehr der aktuellen Lebenssituation entsprechen und die nur unnötigen Druck erzeugen. Das Loslassen dieser überholten Denkmuster kann zu einer tiefen Erleichterung führen und den Weg zu einem gesünderen Umgang mit sich selbst ebnen.
Wege aus dem Teufelskreis
Um dem Burnout zu entkommen oder vorzubeugen, ist es wichtig, bewusste Pausen einzulegen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Das bedeutet auch, sich abzugrenzen und „Nein“ sagen zu können. Regelmäßige Auszeiten, sei es in Form von Urlaub, Wochenendausflügen oder einfach durch das Abschalten der digitalen Geräte, sind essenziell, um die innere Balance wiederzufinden. Auch das Pflegen von sozialen Kontakten und Hobbys, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, kann helfen, sich wieder mit sich selbst zu verbinden.
Professionelle Hilfe: Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung
Nicht selten sind die Belastungen so groß, dass selbst die besten Strategien zur Selbsthilfe nicht ausreichen. Wenn die Erschöpfung und der Stress so stark sind, dass sie das tägliche Leben massiv beeinträchtigen, kann professionelle Hilfe notwendig werden. Berater und Therapeuten sind darauf spezialisiert, Menschen durch schwierige Phasen zu begleiten und helfen, gesunde Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.
Liebe Leserinnen und Leser, das Leben zwischen Ruhe und Rastlosigkeit ist ein Balanceakt, den viele Menschen täglich meistern müssen. Doch wer nicht auf die Warnsignale seines Körpers hört und ständig an den eigenen Grenzen operiert, riskiert einen Burnout. Es ist an der Zeit, die eigenen Prioritäten zu überdenken und sich bewusst Zeit für Erholung und Entspannung zu nehmen. In manchen Fällen ist es auch notwendig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um den Weg aus der Erschöpfung zu finden. Nur wer in der Lage ist, auch einmal Ruhe zu finden, kann langfristig gesund und leistungsfähig bleiben.
Psychologische Onlineberatung, Kopfmuster