Unser Gehirn ist erstaunlich anpassungsfähig und in der Lage, sich durch Erfahrungen zu verändern. Dieses Phänomen, bekannt als Neuroplastizität, bedeutet, dass wir unser Denken und Fühlen aktiv formen können. In meiner psychologischen Praxis beobachte ich immer wieder, wie kraftvoll es sein kann, wenn Menschen lernen, positive Erfahrungen bewusst zu verankern. Diese Methode hilft nicht nur, Resilienz und innere Stärke zu entwickeln, sondern bringt oft auch eine tiefere Zufriedenheit und Gelassenheit mit sich. Indem wir positive Erfahrungen bewusst verinnerlichen, können wir unser Gehirn nachhaltig in eine Richtung lenken, die diese Eigenschaften fördert. Diese Praxis findet sich auch in der buddhistischen Psychologie wieder, wo das bewusste Kultivieren positiver Geisteszustände als zentraler Schritt zur inneren Transformation betrachtet wird.

Warum ist das wichtig?

In der heutigen Welt sind wir oft von negativen Nachrichten, Stress und Kritik umgeben. Unser Gehirn neigt dazu, Negatives stärker zu gewichten als Positives – ein „Negativitäts-Bias“, der evolutionär sinnvoll war, um Gefahren zu vermeiden. Um jedoch langfristig ausgeglichen und zufrieden zu sein, ist es entscheidend, positive Erfahrungen zu verankern und das Gute wirklich aufzunehmen. Auch in der buddhistischen Psychologie wird betont, dass das bewusste Erleben positiver Momente dabei hilft, Geist und Herz zu beruhigen und Leid zu verringern.

Hier ist ein einfacher, aber wirkungsvoller Prozess in vier Schritten, um positive Erfahrungen bewusst zu internalisieren und neue neuronale Verknüpfungen zu schaffen:

1. Das Positive erleben

Der erste Schritt ist, eine positive Erfahrung zu machen oder zu erkennen. Das kann ein Kompliment sein, ein Erfolgserlebnis, ein Moment der Ruhe in der Natur oder ein schönes Gespräch. Achten Sie bewusst darauf, wann etwas Gutes passiert, und erlauben Sie sich, es zu bemerken. Oft nehmen wir positive Momente als selbstverständlich hin – doch sie verdienen unsere volle Aufmerksamkeit. Die buddhistische Praxis der Achtsamkeit ermutigt uns, solche Momente ohne Ablenkung wahrzunehmen und voll zu erleben.

2. Das Positive vertiefen

Um das Gute zu vertiefen, verweilen Sie bewusst in der Erfahrung. Schließen Sie vielleicht die Augen, atmen Sie tief ein und konzentrieren Sie sich auf das Gefühl der Freude, des Stolzes oder der Dankbarkeit. Je länger und intensiver Sie bei der positiven Erfahrung bleiben, desto stärker wird sie im Gehirn verankert. Dies spiegelt die buddhistische Idee wider, dass Geisteszustände durch Wiederholung und Reflexion vertieft werden.

3. Das Positive verinnerlichen

Stellen Sie sich vor, wie die Erfahrung in Sie hineinfließt, wie warmes Sonnenlicht oder wie Wasser, das in den Boden sickert. Sie können dabei auch ein inneres Bild oder eine Metapher nutzen, um die Verankerung zu verstärken. Denken Sie daran, dass Sie etwas Wertvolles in sich aufnehmen, das Teil von Ihnen wird. Dies erinnert an die buddhistische Vorstellung, dass wir durch Meditation und Visualisierung tiefere Schichten unseres Bewusstseins erreichen können.

4. Das Positive verbinden

Zum Schluss können Sie die neue positive Erfahrung mit bestehenden, negativen Gefühlen oder Gedanken verknüpfen. Diese Methode hilft, alte Muster zu überschreiben. Wenn Sie beispielsweise oft unsicher sind, können Sie eine Situation, in der Sie sich stark und kompetent gefühlt haben, bewusst mit Ihrer Unsicherheit in Verbindung bringen und so die Unsicherheit abschwächen. Im Buddhismus wird oft betont, dass wir unsere inneren Konflikte durch Mitgefühl und positive Geisteszustände auflösen können.

 

Liebe Leserinnen und Leser,

indem Sie positive Erfahrungen gezielt verarbeiten, schaffen Sie neue neuronale Verknüpfungen, die Ihr Wohlbefinden steigern und Ihre Resilienz stärken. Dieser Prozess ist ein kraftvolles Werkzeug, um das Beste aus Ihrem Leben herauszuholen und langfristig eine positive Grundhaltung zu entwickeln. Probieren Sie es aus – Ihr Gehirn wird es Ihnen danken.

Rainer Schwenkkraus

Berater und Autor