In meiner psychologischen Praxis treffe ich immer wieder auf Männer, die Schwierigkeiten haben, mit Einsamkeit umzugehen. Ein besonders häufiges Thema ist, dass viele Männer sich schnell wieder in eine Beziehung stürzen oder sogar zweigleisig fahren, um die leeren Momente in ihrem Leben zu füllen. In diesem Beitrag möchte ich näher darauf eingehen, warum das so ist, wie diese Verhaltensweisen mit Einsamkeit und innerer Unsicherheit zusammenhängen und wie Männer lernen können, ihre Bedürfnisse zu erkennen und auf gesunde Weise damit umzugehen.

 

Die Angst vor dem Alleinsein und der Drang nach emotionaler Nähe

In meinen Beratungsgesprächen höre ich oft, dass Männer nach dem Ende einer Beziehung nicht lange alleine bleiben können. Manche stürzen sich direkt in die nächste Partnerschaft, andere beginnen parallele Beziehungen, um die Leere zu füllen. Warum ist das so?

Ein häufiger Grund für dieses Verhalten ist die tiefe Angst vor Einsamkeit und dem Gefühl der Verlassenheit. Viele Männer haben von früh an gelernt, dass eine Beziehung der einzige Weg ist, emotionale Erfüllung zu erfahren. Das kann durch familiäre Strukturen, gesellschaftliche Erwartungen oder auch durch vergangene Erfahrungen geprägt sein. Besonders nach einer Trennung oder dem Ende einer Partnerschaft entsteht eine Leere, die durch eine neue Beziehung sofort „ausgefüllt“ werden soll.

Oft zeigt sich auch, dass viele Männer emotional nicht gelernt haben, mit dieser Leere umzugehen, sondern sie mit der nächsten Beziehung zu „überdecken“ versuchen. Die Partnerschaft wird dann nicht als eine Quelle für Unterstützung und Wachstum betrachtet, sondern als eine Art „Notlösung“, um die Einsamkeit zu entkommen.

 

Der Versuch, den Schmerz zu betäuben: Zweigleisig fahren

Ein weiteres Verhaltensmuster, das ich immer wieder in meiner Onlineberatung beobachte, ist das sogenannte „Zweigleisigfahren“. Hierbei handelt es sich darum, dass Männer nach einer Trennung oder in der Unsicherheit einer bestehenden Beziehung beginnen, parallel mehrere Verhältnisse oder Flirts zu führen. Dieses Verhalten dient oft als eine Art emotionaler „Absicherung“ – die Angst, eine Beziehung zu verlieren oder allein zu bleiben, wird durch die gleichzeitige Aufmerksamkeit von mehreren Personen gemildert.

Doch dieses Verhalten hat oft tieferliegende psychologische Ursachen. Häufig handelt es sich um eine Strategie, um mit der eigenen Unsicherheit oder dem Gefühl der Ablehnung umzugehen. Indem man mehrere Optionen offen hält, entsteht eine kurzfristige Illusion von Kontrolle und Sicherheit. Doch langfristig verstärken sich dadurch die inneren Konflikte und das Gefühl der Leere, anstatt dass diese befriedigt werden.

 

Die Schwierigkeiten mit dem Alleinsein in der Partnerschaft

In vielen meiner Beratungen stellen Klienten fest, dass sie in Beziehungen bleiben, obwohl sie eigentlich keine echte Erfüllung mehr finden. Sie klammern sich an den Gedanken, dass es keine bessere Lösung gibt, als in einer bestehenden Partnerschaft zu bleiben, auch wenn diese emotional nicht mehr gut tut. Diese Angst vor dem Alleinsein führt dazu, dass sie sich in ungesunden Dynamiken verstricken.

Viele Männer berichten mir, dass sie in ihrer Partnerschaft keine eigene Identität mehr entwickeln können, weil ihre emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Doch aus Angst vor dem Alleinsein bleiben sie dennoch in der Beziehung, selbst wenn sie sich innerlich von ihrem Partner oder ihrer Partnerin entfernt haben. Hier spielen auch soziale und kulturelle Erwartungen eine Rolle – die Vorstellung, dass eine gescheiterte Beziehung ein Versagen bedeutet, verstärkt den Druck, in einer unbefriedigenden Partnerschaft zu bleiben.

 

Der unbewusste Drang, emotionale Lücken durch Beziehungen zu füllen

Ein weiteres häufiges Thema ist der Drang, die eigene emotionale Leere durch die Nähe eines Partners zu füllen. In vielen Fällen suchen Männer unbewusst nach einer „Retterin“, die ihnen hilft, ihre Ängste zu überwinden und sie in schwierigen Zeiten unterstützt. Diese Verhaltensweise ist besonders auffällig, wenn Männer in einem Muster von kurzfristigen Beziehungen stecken, die nie eine langfristige Tiefe erreichen.

Hierbei liegt das Problem oft in einer mangelnden Selbstreflexion und Selbstfürsorge. Männer, die Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu regulieren, neigen dazu, den Fokus auf die Beziehung zu legen, um von ihren eigenen Unsicherheiten und Ängsten abzulenken. Dies führt zu einem Kreislauf, in dem die Partnerschaft nicht aus einem gesunden Bedürfnis nach Nähe entsteht, sondern aus einem Versuch, emotionale Defizite zu kompensieren.

 

Warum Männer schnell wieder eine Beziehung eingehen

In meiner Beratung erlebe ich immer wieder, dass Männer, die sich nach dem Ende einer Beziehung oder einer Phase der Einsamkeit wieder in eine Partnerschaft stürzen, oft die eigentliche Ursache ihrer Ängste nicht angehen. Sie suchen nach Sicherheit, nach Bestätigung und nach einem Gefühl von Zugehörigkeit. In der Partnerschaft erhoffen sie sich, dass ihre emotionalen Bedürfnisse erfüllt werden, ohne dass sie wirklich die Zeit oder die Bereitschaft haben, sich selbst zu reflektieren und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen.

Das schnelle Wieder-Eingehen in eine Beziehung ist oft ein Zeichen dafür, dass sie die Beziehung nicht als eine echte Quelle für Wachstum und Entwicklung sehen, sondern als eine Flucht vor den unangenehmen Gefühlen der Einsamkeit und des Alleinseins. Männer, die diese Verhaltensmuster erkennen und durchbrechen, können lernen, ihre emotionalen Bedürfnisse selbstständig zu regulieren und in gesunden Beziehungen auf Augenhöhe zu treten.

 

Die Lösung: Lernen, sich selbst zu begegnen

Die Herausforderung für viele Männer besteht darin, mit der eigenen Einsamkeit konstruktiv umzugehen. Der Weg aus diesem Muster besteht nicht darin, sofort in eine neue Beziehung zu flüchten, sondern sich der eigenen Leere und den damit verbundenen Gefühlen zu stellen. In meiner Beratung helfe ich meinen Klienten dabei, diese Gefühle anzuerkennen und zu verstehen, dass sie nicht durch die nächste Beziehung oder die Bestätigung von außen kompensiert werden können.

Letztlich ist es entscheidend, dass Männer lernen, ihre Bedürfnisse nach Nähe, Bindung und emotionaler Erfüllung auf gesunde Weise zu befriedigen. Dies kann nur gelingen, wenn sie sich selbst verstehen, ihre Ängste erkennen und lernen, in sich selbst die Sicherheit und das Vertrauen zu finden, das sie so dringend suchen.

Liebe Leserinnen und Leser,

der schnelle Drang, wieder in eine Beziehung zu gehen oder sogar zweigleisig zu fahren, ist ein symptomatisches Verhalten, das oft von tiefer liegenden Ängsten und Unsicherheiten zeugt. In meiner psychologischen Onlineberatung ermutige ich Männer, die Verantwortung für ihre emotionalen Bedürfnisse zu übernehmen und sich mit ihrer Einsamkeit auseinanderzusetzen. Nur so können sie echte, gesunde Partnerschaften eingehen, in denen sie nicht nur von anderen erwarten, ihre inneren Lücken zu füllen, sondern in denen beide Partner auf Augenhöhe wachsen und sich gegenseitig unterstützen.

Rainer Schwenkkraus

Berater und Autor